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Montag, 16. November 2015

Pilgerwandern ...



»Der Vorgang des Wanderns trägt zu einem Gefühl psychischen und geistigen Wohlbefindens bei.« (Bruce Chatwin)

Im Jahr 2011 nach meiner Pilgerreise nach Santiago schrieb ich einen Blog eben darüber. Zum einen war es für mich eine wunderbare Möglichkeit, das Erfahrene nochmals zu erleben und zum anderen für später zu dokumentieren. 
Ein Blog ist wie ein Tagebuch, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese – also die Öffentlichkeit – las dann auch in meiner Geschichte. Eine der Leserin war Anneliese. Sie schrieb mir irgendwann, dass sie - nicht nur, aber auch - durch meinen Blog den Mut fand, ihren Jakobsweg alleine weiter zu gehen (den sie bis dahin in Etappen mit einer Freundin gepilgert war, die nun nicht mehr mitkommen konnte).

In all den Jahren blieben Anneliese und ich über einen Mailaustausch verbunden. Als ich ihr dann irgendwann mal schrieb, dass ich hin und wieder in Laupheim bin, meinte sie, das sei doch bei ihr fast um die Ecke. Und brachte den Gedanken auf, dass wir doch mal zusammen ein Stück Jakobsweg laufen könnten, der ja hier praktisch vor der Haustür verläuft. Gesagt war das einfach, getan dann etwas schwieriger. Immer kam etwas dazwischen. Doch diesen Samstag war es endlich so weit. Wir hatten es nach all den Jahren tatsächlich geschafft, einen Termin zu finden. Da konnte nicht mal die nicht so gute Wettervorhersage die Vorfreude trüben …

Meine innere Uhr weckt mich rechtzeitig. Wie jeden Morgen. Aufstehen und ins Bad. Während ich warte bis Klaus auch fertig ist um mit Clyde Gassi laufen, packe ich meine Sachen zusammen: Fotoapparat, etwas zu trinken, Vesper … .
Noch schnell frühstücken. Dann werde ich doch fast etwas hektisch. Ich mag nicht gerne zu spät kommen und so bin ich dann um 8.40 Uhr unterwegs auf der B30 Richtung ‚Süden‘.
In Baindt verfahre ich mich etwas, bin dann aber vor halb zehn, wie verabredet, bei Anneliese. Ein kurzes erstes ‚beschnuppern‘. Wir kennen uns zwar schon ein paar Jahre, aber eben nur über das Internet, nicht persönlich. Aber sie weiß das ich eine ‚alte Kaffeetante‘ bin und so gibt es erstmal ein Tässchen Koffein, dazu eine Stück Tarte de Santiago. Den hatte sie gerade frisch aus Spanien mitgebracht. Sehr lecker, aber sehr süß. Doch ein bisschen Energiezufuhr schadet ja nicht, wenn man einen Wandertag vor sich hat.

Wir quatschen gleich munter drauf los, kennen uns eben doch schon etwas länger. Aber wir wollen ja ‚pilgern‘ gehen und so reißen wir uns wenig später vom Kaffeetisch los und machen wir uns auf den Weg. Das heißt erstmal auf die Straße, mit dem Auto nach Meckenbeuren. Hier tausche ich die Straßenschuhe mit meinen Wanderschuhen und wir ziehen los.

Erstes Ziel Brochenzell, das ja nur einen Kilometer weiter liegt. Aber in der hiesigen Kirche – das erinnere ich vom Sommer – gibt es eine Jakobusstatue, ein Buch für Einträge und einen Stempel. Und schon sind wir wieder unterwegs. Wir unterhalten uns so angeregt, dass wir plötzlich in einer Wohnstraße stehen, die in einer Sackgasse endet. Hm.
Zwei kleine Mädchen (5 und 3 vielleicht), die in einer Garageneinfahrt spielen, grinsen uns an. Die ältere «Was macht ihr?« – »Wir wandern.« – »Auf dem Jakobusweg?« – »Ja.« – »Ich weiß wo der lang geht!« – »Toll, dann kannst Du uns das ja zeigen.« – »Hier lang.« Sprach‘s und begleitet uns stolz zurück zu Kreuzung, wo wir den Abzweiger verpasst haben. Wir bedanken uns herzlich. Die kleinere der beiden ruft uns noch nach: »Ich weiß das auch!« Wie süß.

Hier sei angemerkt, dass der Jakobsweg hier wirklich gut und ausreichend ausgezeichnet ist und ein verlaufen fast unmöglich. So bleibt es auch den ganzen Tag.
Jetzt führt der Weg aus Brochenzell zunächst in ein Stück Wald. Der Boden ist zwar noch feucht, aber nicht nass. Außerdem ist alles von einer dicken Laubschicht bedeckt und somit gut zu laufen. 

Wir reden fast die ganze Zeit. Haben uns doch eine Menge zu erzählen. Natürlich auch ein Austausch über unsere Pilgerreisen, aber auch über alle möglichen anderen Dinge. Mailen ist schon toll, aber so persönlich sprechen, das ist doch noch mal etwas anderes.
So vergeht nicht nur die Zeit schnell, auch merke ich kaum, wie wir vorwärtslaufen.

Unseren zweiten Stempel holen wir uns heute in Unterteuringen. Hier ist an einer ‚Straßenecke‘ ein Jakobs-Bildstock. Umgeben von einer hübschen Steinmauer, mit dem Hinweis es sei noch etwa 2001 km bis Santiago, ein paar Erklärungen und einem Fach mit einem Büchlein. Dieses ist allerdings ist schon lange nicht erneuert worden, Einträge von 2001 und teilweise sind die Seiten auch übergekritzelt. Aber es gibt einen Stempel und eine Bank, die wir für ein Päuschen nutzen. Anneliese erzählt noch, als sie hier vor gut 10 Jahren entlang ging, war hinter dem Bildstock noch eine Wiese. Jetzt steht ein modernes Haus dort und die Statue ist irgendwie ‚eingequetscht‘ und kaum sichtbar – schade.

Bald laufen wir weiter. Nun nicht mehr im Wald, sondern zwischen Obstplantagen und Felder. Die angrenzenden Wiesen sehen noch richtig grün aus. An den Bäumen aber ist der Herbst deutlich zu erkennen, sie sind meist schon kahl.
Doch es ist herrlich zum Laufen. Die Temperatur angenehm mild für November und es ist trocken.


Ein Herr Soundso, der selber Jakobswegpilger ist, hatte irgendwann beschlossen, dass es auf dem Weg hier zu wenig Ruhemöglichkeiten gibt. In einer ehrenamtlichen Aktion wurden dann im Frühjahr/Sommer 2015 an zwei Stellen neue Rastmöglichkeiten eingerichtet. Zum Einen ist dies die ‚Marshallbank‘ einige Kilometer nach Unterteuring (der Name rührt von der Familie, auf deren Grundstück die Bank steht). Wir lernen später, dass hier auch eine Grenze verläuft, wohl die zwischen Württemberg und Baden.
Bescheidenheit ist nicht immer eine Zier, das ist mein Gedanke, bei der zweiten Ruhebank bei Oberleimbach. In großen Lettern prangt hierauf der Name ‚Kreidler‘, die Familie auf deren Grundstück sie steht, was auf einem Schild auch gleich als erstes angemerkt wird …  
Nun, gerade kommt die Sonne zwischen den Wolken hervor und wir nutzen die Bank für ein Pause. Sie liegt wirklich schön und so danken wir dann auch in Gedanken den großzügigen Spendern und Erbauern.

Anneliese meint, dass der Wegverlauf in 2004 nicht so schön war wie heute. Denn wir müssen wirklich selten an Straßen laufen oder diese überqueren.
So gelangen wir etwas später an einen schönen kleinen Weg entlang der Brunnisach. Hier hat der Künstler Jörg Bäßler 2010 aus einem Baumstamm eine Jakobus-Skulptur geschaffen. Es gibt wohl auch ein Wegebuch und einen Stempel. Nun, ersteres sehe ich nicht, letzteren nutzen wir natürlich.

Kurz vor Markdorf geht es nochmal ziemlich den Berg hinauf. Früher ist man hier an der Hauptstraße gelaufen, nun können wir von hoch oben einen Blick auf den in der Ferne glitzernden Bodensee werfen. Doch wir sind uns einig, ein Pilger würde für eine schönere Aussicht nicht unbedingt einen solch anstrengenden Umweg machen (vor allem wenn man nicht nur, wie wir, für einen Tag ein paar Kilometer läuft).

Im Ort scheinen uns dann an diesem Samstagnachmittag die Bürgersteige schon hochgeklappt. Die Läden geschlossen und es sind kaum Menschen zu sehen. Aber die St.-Nikolaus-Kirche ist offen und wir werfen einen Blick hinein. Jemand ist gerade dabei, die Orgel für das abendliche Konzert zu stimmen. Hört sich bisschen schräg an … 

Da wir noch Zeit haben, bis der Zug abfährt, machen wir uns auf die Suche nach einem Café. Dies – so habe ich schon oft festgestellt – ist gar nicht so einfach, wenn man sich nicht auskennt. Anneliese hat eine Idee: »Die Dame dort sieht aus, als würde sie gerne Kuchen essen, die frage ich jetzt.« Die Frau ist sehr freundlich und kennt tatsächlich eines. Sie weist uns den Weg. In dem überfüllten Café finden wir noch ein Plätzchen und bestellen jeder einen Milchkaffe, der sogar für meine Verhältnisse sehr stark ist.

Kurze Zeit später stehen wir am Fahrkartenautomat. Dieser mag meinen 20-Euro-Schein nicht annehmen, aber zum Glück hat Anneliese noch genug Kleingeld für die Fahrkarten. Wir stellen fest, hier richtig was los. Ich vermute laut, dass die jungen Leute alle nach Friedrichshafen wollen, schließlich ist es Samstag.
Wir bleiben nicht dort, sondern steigen in den Zug nach Meckenbeuren. Ich tausche die Wanderschuhe wieder gegen meine Turnschuhe, mit denen ich besser fahren kann.

Zurück in Baindt, wartet Heinrich, Annelieses Mann, schon mit dem Abendessen auf uns. Tafelspitz mit Kartoffeln und Meerrettichsoße und dazu Salat. Lecker, habe ich ewig nicht gegessen. Hungrig nach so einem Wandertag machen wir uns dankbar darüber her. Mir fällt es richtig schwer, dann irgendwann die schöne Unterhaltung mehr oder weniger abzubrechen. Doch gegen halb sieben verabschiede ich mich und fahre nach Laupheim zurück. Ein wunderschöner Pilgertag in sehr netter Gesellschaft. Ich freue mich auf eine Wiederholung. Und hoffe, das dauert nicht wieder 5 Jahre, bis wir einen Termin finden …

Donnerstag, 12. November 2015

Fundstück:



Direkt vor mir gerät ein Obdachloser ins Wanken und schlägt mit dem Schädel hart auf den Asphalt. Ich zerre ihn von der Straße. In seiner Manteltasche klimpern diese kleinen Schnapsfläschchen. Bevor ihn der Krankenwagen abtransportiert, reckt er seinen Arm empor, in der Hand hält er eins der Flachmännchen: »Da, Kumpel!«, nuschelt er.
Sag einer, es gäbe keine Dankbarkeit! (Franz-Josef Kirschner, Krefeld)



Foto: am Oberschwäbischen Jakobsweg, zwischen Oberdischingen und Schemmerberg

Freitag, 9. Oktober 2015

Groß-Reinemachen ...

... Schönes Wochenende und Bon Courage, wohin auch immer die Füße Euch tragen ...



PS: nicht vergessen, auf www.wiebkebeyer.jimdo.de gibt es ein GEWINNSPIEL für alle Camino-Sehnsüchtigen ...

Mittwoch, 16. September 2015

Für die Camino-Sehnsüchtigen ...



Der Urlaub ist vorbei. Und wovon träumen wir nun? Na klar, von dem was wir erlebt haben, den Orten die wir gesehen haben; wir denken an die Menschen, denen wir begegnet sind; sehen die Bilder der wundervollen Landschaft und hören die kleinen Bäche rauschen; spüren noch die gelassenen Ruhe und den Weg unter den Füssen … und wir träumen ganz sicher von der nächsten Pilgerreise – auch wenn es bis dahin manchmal etwas länger dauert.

Um die Zeit zu überbrücken hätte ich da was für all die Camino-Sehnsüchtigen; einfach mal reinschauen bei http://wiebkebeyer.jimdo.com/neu-camino-fanshop




Donnerstag, 27. August 2015

Versuch eines Fazits ...




Unsere Pilgerreise ist zu Ende. Klaus meint, nachdem er meinen letzten Blogbeitrag gelesen hat: Wir waren viel zu kurz unterwegs! Nun, dann trifft unterbrochen es wohl besser. Auch ich bin mir sicher, dass wir es wieder tun werden, wie viele, die der Virus einmal gepackt hat. Ganz nach dem Motto: Das Ende einer Etappe ist nur der Anfang einer anderen…

Meine ‚Arbeit‘ beginnt ja oft erst dann, wenn die Reise zu Ende ist und ich meine Notizen aufarbeite. Was heißt Arbeit? Ich schreibe sehr gerne und es bringt mich nochmal ein bisschen auf den Weg zurück. An dieser Stelle übrigens ein ‚Danke‘ an die Leser, die zumindest virtuell ein Stück mitgelaufen sind. Gefreut habe ich mich auch über all die netten Kommentare. Vielen Dank dafür!

Während ich nun also die Notizen durchgelesen habe, kommen mir noch ein paar Dinge in den Sinn …

Natürlich habe ich einen kleinen Vergleich mit meinem großen Camino von 2011 gezogen. Okay, irgendwie ist es nicht wirklich zu vergleichen, denn die zwei  Pilgerreise könnten unterschiedlicher nicht sein:
Damals bin ich alleine, mitten im Winter losgezogen. War drei Monate unterwegs. Quer durch Frankreich und Nordspanien. Ziemlich unvorbereitet und recht ahnungslos. Habe sehr viel mit mir selbst gekämpft – innerlich und äußerlich.
Diesmal waren wir zu zweit, mit Hund. Dies mitten im Hochsommer, 6 Tage in Deutschland. Besser vorbereitet und eben wegen des Hundes mit vorbestellten Übernachtungsplätzen. Gelassener auf jeden Fall.

Und doch hatten die beiden Reisen durchaus Gemeinsamkeiten. Es fängt damit an, sich einfach auf den Weg machen. Zu Fuß der gelben Muschel auf blauem Grund folgen. Abstand nehmen zum Alltag, wieder ein bisschen näher zu sich selbst finden. Innehalten. Natur erleben, seine eigenen Grenzen kennenlernen … und alles was man benötigt auf dem Rücken tragend.

Apropos, wenn ich da schon beim Thema bin … Mir kam der Gedanke, hätte ich in 2011 gewusst, wie wenig Gepäck ich benötige, hätte ich mir wohl einiges an Schulterschmerzen erspart. Der Rucksack diesmal war rein vom Volumen her schon 20 l kleiner und nicht einmal ganz voll. Ich habe zu keiner Zeit das Gefühl gehabt, er drückt, belastet, ist zu schwer. Manchmal habe ich in überhaupt nicht gespürt, erst beim Abnehmen.

Meine Erkenntnis, für 4 oder 8 Wochen hätte ich auch nicht mehr Gepäck mitgenommen bzw. benötigt. Einzig, dass ich bei einer Pilgerreise im Winter nicht auf den großen warmen Schlafsack verzichten würde. 
 Ich erkenne aber auch, dass ich auf meiner ersten Pilgerreise einfach noch mehr Ballast zu tragen hatte, manches wohl auch nicht loslassen konnte. Dies gilt im übertragenen, wie im wörtlichen Sinn, denn das hat sich dann eben auch in meinem Gepäck widergespiegelt.

Eine gute Ausrüstung lohnt sich, so meine Meinung. Das heißt aber nicht, dass alles ‚High Tech‘ und teuer sein muss (der Preis sagt nichts über die Qualität aus). Aber z.B. Funktionskleidung ist etwas Sinnvolles. Alleine schon, weil sie leicht ist und schneller trocknet. Es gibt auch keine Pauschalempfehlung für Dinge wie Schuhe etc. Ich denke, dass muss jeder für sich herausfinden, ausprobieren.
 
Was unsere Erlebnisse betrifft, mit Hund zu pilgern … Der Wagen hat sich bewährt. Soviel ist sicher. Nicht nur war es eine Entlastung für Clyde, so dass er nicht die ganze Strecke laufen musste (er hat ja doch etwas kürzere Beine). Auch das er z.B. in Städten oder wenn der Weg an einer Straße entlang führt darin sicher aufgehoben ist. Auch kann sein Gepäck (Handtuch, Futter etc.) darin transportiert werden.
Die Hundeanhänger/ -wagen sind nicht besonders gefedert. Besser gesagt gar nicht. So hatte ich für seinen ‚Ferrari‘ eine Matratze besorgt. Diese ist aus festem Schaumstoff und genau an den Wagen angepasst (mit Platz um vorne eine Flasche Wasser ‚einzuklemmen‘). Vorteil ist zum einen natürlich die Polsterung und der Hund steht nicht auf dem nackten Boden. Zum anderen hat es den Effekt, dass Clyde höher sitzt. Und dann auch wirklich sitzt und nicht nur steht um rauszuschauen.

Es war schön ihn dabei zu haben. Doch es ist auch anstrengender. Der Wagen muss geschoben werden, was bei machen Abschnitten des Weges gar nicht so einfach war; ich sag nur Bachläufe und Treppen. Ganz zu schweigen von umgestürzten Bäumen, über die man den Wagen hieven muss.
Anstrengend ist es auch für den Hund. Er hat einfach nicht seine gewohnten Ruhepausen, die Umgebung ist ungewohnt und er versteht ja nicht wirklich was passiert. Und Clyde ist nicht mehr so ganz der Jüngste und die Hitze hat ihm doch sehr zu schaffen gemacht.
Mit Hund ist man gebundener. Soll heißen, die Übernachtungsmöglichkeiten sind eingeschränkter, auch Besuche in Kirchen oder im Supermarkt sind mit Hund meist nicht möglich. Wie gesagt, es war eine tolle Erfahrung ihn dabei zu haben, aber ob wir das nochmal tun, keine Ahnung …
Noch eine Anmerkung: der Wagen lässt sich mühelos zu einem Fahrradanhänger umbauen, wofür er weiterhin benutzt wird.

»Man muss es aushalten, denn am Ende ist man wohl nicht nur derjenige, der man war und ist und sein wollte, sondern auch derjenige, den die anderen sehen.«

Zu zweit unterwegs sein (okay zu dritt, aber in diesem Fall meine ich die beiden Menschen) ist definitiv anders als alleine. Ich gebe zu, mir hat manchmal die Einsamkeit gefehlt, um einfach meinen Gedanken in Ruhe nachhängen zu können. Oder alleine durch einen stillen Wald pilgern, nur den eigenen Schritten lauschen. Ganz bei mir sein und nur der eigenen inneren Uhr folgend.
Andererseits war es schön, das Erlebte gleich zu teilen. Das hat es dann vertieft, denn – so haben wir festgestellt – jeder sieht die Welt mit seinen Augen. Will sagen, oft hat Klaus Dinge gesehen oder wahrgenommen, die mir nicht aufgefallen sind – um umgekehrt. Das hat die Pilgerreise vielfältiger gemacht. Auch z.B. das ich nicht immer alleine entscheiden musste, welchen Weg ich gehe, wenn ein Wegweiser fehlte. Es ist ein intensiveres Zusammensein, 24 Stunden am Tag. Ich lerne Rücksicht nehmen, vielleicht Kompromisse eingehen und doch immer ich bleiben.

Was ich wirklich empfehlen kann: Wir hatten ein Handy für den Notfall dabei, aber das war die ganze Zeit im Rucksack ‚vergraben‘. Ansonsten kein Fernsehen, kein Radio, keine Telefonate, kein Internet. Einfach mal ganz und gar weg sein. Macht den Kopf frei …

Wie immer waren die Begegnungen auf dem Weg etwas Besonderes. Die unterschiedlichsten Typen von Menschen, die sich im normalen Alltag wahrscheinlich nicht begegnen würden. Und auch wenn jeder ein anderes Motiv hat, sich auf die Reise zu begeben, so streben wir alle einem Ziel entgegen. Und damit meine ich nicht nur im eigentlichen Sinn Santiago. Nein, eher das Unterwegs sein, das mit sich sein, das laufen und sich dabei sehen, wie weit reichen meine Kräfte – um sich am Ende des Tages zu freuen das Etappenziel erreicht zu haben. Sofort ist unter Pilgern eine Vertrautheit da, die ich sonst nur aus meiner Selbsthilfegruppe kenne. Das Verbindende ist wichtig, nicht das was trennt.

Und noch ein Gedanke zum Schluss: Das Reisen ist wie ein Leben im Zeitraffer. Alles passiert irgendwie superschnell. Auch wenn man zu Fuß unterwegs ist. Doch, all die Begegnungen, all die Abschiede und auch das Loslassen lernt man schneller. Man lernt sich selbst besser kennen und entdeckt viel Neues innerhalb und nicht nur außerhalb von seinem selbst. Man trifft die eigenen Gedanken, die irgendwann unterbrochen wurden, die verloren zu sein schienen und das denen neue Gedankenabläufe entstehen und uns jetzt zu dem machen können, was wir sind.
Auf einmal können wir uns daran erinnern, wie wir sind. Wir lernen immer mehr dazu, zum Beispiel, dass man Traurigkeit wunderbar in Dankbarkeit umwandeln kann.
So will ich nicht traurig sein, dass es vorbei ist, sondern bin glücklich, dass ich es erleben durfte.

 


In diesem Sinne: Ultreia – bis zum nächsten Mal irgendwo auf dem Jakobsweg...